Geschichte des SCI in Deutschland
Militär- oder Zivildienst?
by Bertram Schröter (Sep 26, 2005)
Zwei Jahre nach dem Ende des ersten Weltkrieges gab es bei den Gründern des SCI keinen Zweifel, dass der Militärdienst durch einen zivilen Dienst ersetzt werden müsste – dass statt des Militärs, welches letzten Endes überwiegend Zerstörungen anrichtete, in einem Zivildienst zum Wohle der Menschheit und für den Frieden auf der Welt gearbeitet werden sollte. Sie nannten ihre Organisation deswegen "Internationaler Zivildienst" beziehungsweise französisch "Service Civil International".
Im Gegensatz zu den reinen Verweigerern bejahten sie die Bereitschaft der Bürger zu einem Dienst für die Allgemeinheit, auch wenn sie an Stelle einer Dienstpflicht lieber eine solche Tätigkeit auf freiwilliger Basis gesehen hätten. In einer Zeit, in der Militärdienstverweigerer jedoch in den meisten Ländern als "Volksverräter" angesehen, erschossen oder zumindest in ein Gefängnis gesteckt wurden, fehlten noch die Voraussetzungen für eine Anerkennung der Gründe einer Wehrdienstverweigerung. Ausnahmen gab es nur in angelsächsischen und skandinavischen Ländern und dies vorwiegend für bestimmte Religionsgemeinschaften wie zum Beispiel die Quäker.
Für den Gründer des SCI, Pierre Ceresole, und seinen Bruder Ernest, einen aktiven Offizier der Schweizer Armee, erschien eine Freistellung vom Militärdienst aus Gewissensgründen unter den damals bestehenden Voraussetzungen als nicht durchführbar. Sie strebten deshalb nach einer Anerkennung des Zivildienstes als einer "Alternative" zum Militärdienst. Bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg gab es nicht wenige Wehrdienstverweigerer, welche die Verpflichtung des Bürgers zu einem Dienst für die Allgemeinheit ausdrücklich anerkannten und sich sogar bereiterklärten, anstelle des Militärdienstes einen zeitlich länger dauernden zivilen Dienst zu leisten, zum Beispiel 18 Monate Zivildienst anstelle von 12 Monaten Militärdienst.
Um Diffamierungen zu vermeiden, galt es für den SCI zu beweisen, dass ein ziviler Dienst nicht mit Bummelei und faulem Leben gleichzusetzen sei, sondern genauso effektiv sein kann wie der Militärdienst (wenn und soweit ein solcher damals als "effektiv" zu bezeichnen ist?). Nicht nur in den ersten Einsätzen, sondern bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte deshalb in den Diensten ein relativ strenges Reglement. Unter Pierre Ceresole wurde jeden Morgen vor dem Arbeitsbeginn zum Appell angetreten, Bruder Ernest versorgte die Freiwilligen mit ausgedienter Arbeitskleidung des Schweizer Militärs als einheitlicher Kleidung und auch nach der strikt einzuhaltenden Arbeitszeit gab es für die Teilnehmer noch ein Pflichtprogramm. Im Archiv gibt es Unterlagen über eine Überprüfung dieser Dienstbedingungen durch einen Oberst der Schweizer Armee, dessen Urteil über den SCI jedoch positiv ausfiel.
Auch in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte es noch zu den ungeschriebenen Gesetzen des Zivildienstes, ein überzeugendes Arbeitsergebnis zu erbringen, nicht nur zeitlich, sondern auch in der persönlichen Leistung. So wurden bei Projekten, deren Dringlichkeit offensichtlich war, von ganzen Lagergemeinschaften oder von einzelnen Teilnehmern über die vorgesehenen täglichen acht Stunden hinaus freiwillige Überstunden geleistet. Und es gab Dienste, in denen die Freiwilligen zusätzlich an den arbeitsfreien Wochenenden weitere Arbeit am Arbeitsplatz oder für andere Bedürftige leisteten. In Einzelfällen, wenn die Arbeitsleistung eines Teilnehmers nicht befriedigte, wurde dieser auch von der Lagergemeinschaft nach einer offenen Aussprache aufgefordert, den Dienst zu verlassen.
Mit dem Wegfall der Wehrpflicht in vielen Ländern, der Anerkennung von Gewissensgründen für die Verweigerung von Militärdienst in anderen, verbesserte sich die Situation wesentlich. Aber immer noch gibt es in Deutschland für anerkannte Wehrdienstverweigerer einen "Ersatz"-dienst statt einer generellen Wahlmöglichkeit zu einem "Alternativ-"dienst. Auch wenn der deutsche Zweig des SCI heute nicht mehr, wie in den 60er-Jahren, als Trägerorganisation eigene Ersatzdienste durchführt, sondern nur noch einzelne Ersatzdienstleistende in der Geschäftsstelle beschäftigt, so bleibt dennoch die Aufgabe bestehen, sich weiterhin gemeinsam mit anderen Friedensorganisationen für die Möglichkeit der Ableistung eines Zivildienstes an Stelle des Militärdienstes einzusetzen.