Aus Westdeutscher Sicht: DDR 1946 - 1968 Im Rahmen der Ost-West-Arbeit des SCI
SCI / FDJ Dienst in Tuchheim (1966)
Der Materialsammlung liegt eine ausführliche Erläuterung der Akten und den geschichtlichen Ereignisse bei. Das hundert seitige Dokument enthält ebenfalls eine umfangreichen Index zu Personen, Diensten sowie eine Liste der beiteligten Organisationen:
Erläuterung Materialsammlung Ost-West 756 KB (PDF)
EINIGE NOTWENDIGE VORBEMERKUNGEN
1. "Aus westdeutscher Sicht"
Für uns Deutsche war es eine Selbstverständlichkeit, daß auch nach der Aufteilung unseres Landes in Besatzungszonen unter dem Begriff "Deutschland" weiterhin das gesamte uns verbliebene Staatsgebiet im Westen wie im Osten zu verstehen war. Wie konnte es auch anders sein, denn viele von uns hatten Familienangehörige und Freunde auf der jeweils anderen Seite der vollkommen willkürlich gezogenen Grenze, die selbst Dörfer und Städte zerteilte, oder sie hatten sogar selbst zeitweise auf der anderen Seite der Zonengrenze gelebt. Für uns war deshalb die durch die Sowjetunion besetzte und von ihren kommunistischen Statthaltern regierte Zone weiterhin deutsches Gebiet und konnte für uns deshalb nicht zu einem anderen Staat werden, niemals "Ausland" sein !
Schließlich sprach selbst die Sowjetunion bei ihren wiederholten Vorstößen zu einer Regelung der deutschen Frage bis in die 60er-Jahre hinein stets von der 1945 unter den Alliierten vereinbarten "deutschen Einheit".
Für den deutschen Zweig des 'Service Civil International' ( SCI ) und seine Mitglieder konnte es deshalb keinen Zweifel daran geben, daß der deutsche Zweig für die Arbeit des SCI in ganz Deutschland "zuständig" sei. Nach deutscher Auffassung waren dies alle vier Besatzungszonen, also neben den Westzonen, der späteren 'Bundesrepublik Deutschland' ( BRD ), selbstverständlich auch die sowjetische Besatzungszone und spätere 'Deutsche Demokratische Republik' ( DDR ).
Im Gegensatz zu dieser einmütigen deutschen Auffassung waren Anfang der 60er-Jahre für viele unserer Freunde im westlichen Europa - die natürlich über keine solchen persönlichen Beziehungen über die Zonengrenze hinweg verfügten - die Bundesrepublik und die DDR gedanklich bereits zu selbständigen Staaten geworden. Dazu kam eine zunehmende Unzufriedenheit darüber, daß gerade Deutschland wiederum Ausgangspunkt neuer Spannungen und Differenzen zwischen den Machtblöcken war, die man gerne überbrücken und abbauen wollte. Im Westen wuchs daher die Bereitschaft, sich bei der Verständigung mit dem Osten über westdeutsche Bedenken hinweg zu setzen, zumal - in der jüngeren SCI-Generation - nicht wenige Deutschland als dem Auslöser des Zweiten Weltkrieges zunehmend kritisch gegenüber standen.
Aus dieser unterschiedlichen Ausgangssituation heraus entstanden sowohl zwischen den SCI-Zweigen als auch in den Internationalen Gremien Meinungsverschiedenheiten und Mißverständnisse. Der folgende Bericht stellt die Ost-West-Arbeit des SCI so dar, wie sie "aus westdeutscher Sicht" gesehen wurde, ja gesehen werden mußte !
2. Grundlagenmaterial
Ein Bericht, der erst etwa fünfzig Jahre nach den Ereignissen geschrieben wird, kann sich nicht auf das Erinnerungsvermögen des Menschen beschränken, welches negative Erlebnisse im Laufe der Jahre verdrängt, während Positives eher im Gedächtnis haften bleibt. Grundlage mußten deshalb schriftliche Original-Unterlagen sein, die leider nicht mehr vollständig vorhanden sind. In dem Bericht wird jeweils auf die betreffenden Originale hingewiesen, die sich überwiegend im Internationalen Archiv des SCI befinden und deren Abschriften in der Anlage beigefügt sind.
Die Unterlagen des Archivs können nach vorheriger Terminvereinbarung eingesehen werden :
Internationales Archiv des Service Civil International
VORWORT
3. Beurteilungsbasis
Für eine Beurteilung des damaligen Handelns ist es unerläßlich, sich ein wenig mit dem zu beschäftigen, was sonst rundherum in der Welt geschah. Deshalb sind an einigen Stellen Hinweise auf Ereignisse eingefügt, die uns damals besonders bewegten und die einen Einfluß auf die Meinungsbildung der direkt oder auch nur indirekt betroffenen Menschen hatten. Im Anhang befindet sich zusätzlich eine Zusammenfassung geschichtlicher Daten, die in einem gewissen Bezug zur Ost-West-Arbeit des SCI stehen.
Zu diesem Umfeld gehört selbstverständlich die gesamte Ost-West-Arbeit des SCI jenseits der DDR, in die der deutsche Zweig durch seine Vertreter in den Internationalen Gremien eingebunden war. Auch wenn wir an der Organisation der Dienste in den Ostblockländern und in Jugoslawien nicht direkt beteiligt waren, nahmen ja deutsche Freiwillige an diesen teil. Deren Berichte bildeten eine wesentliche Grundlage für unsere Meinungsbildung über die Situation im Osten und unsere Chancen, zu einem Dienst in der DDR zu kommen. Dennoch ist in diesem Bericht und in der beiliegenden Materialsammlung die Korrespondenz über die Dienste jenseits der DDR, die vor allem zwischen dem französischen Zweig und der 'World Federation of Democratic Youth' ( WFDY ) beziehungsweise dem 'Bureau International pour le Tourisme et les Echange de la Jeunesse' ( BITEJ ) geführt wurde, nicht enthalten.
Der Leser sollte sich auch der ungeheuren technische Entwicklung bewußt sein, die in den vergangenen Jahrzehnten stattgefunden hat. Wenn es uns heute als selbstverständlich erscheint, daß uns Informationen über Ereignisse - auch vom anderen Ende der Welt - nur wenig später in Bild und Ton zur Verfügung stehen, dem war nicht immer so ! In den 50er und 60er-Jahren war die Welt noch "klein", es gab noch keine Computer und kein Fernsehen, eine Reise per Schiff oder Bahn brauchte seine Zeit und so konnten Wochen und Monate vergehen, bis sich eine Nachricht verbreitete.
4. Verfasser
Schließlich darf nicht verschweigen werden, daß der Verfasser dieses Berichts als Mitglied des deutschen Arbeitsausschusses / Vorstandes zeitweise wesentlich an der damaligen Entwicklung beteiligt war. Er hofft, daß es ihm dennoch gelungen ist, diese persönliche Beteiligung so weit wie möglich und sinnvoll auszuklammern und ein annähernd neutrales Bild von den damaligen Ereignissen zu zeichnen.
Flensburg, im Winter 2006 / 2007
Bertram Schröter