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IVSP Grossbritannien in Deutschland

by Bertram Schröter (Sep 26, 2005)

In Großbritannien bestand bereits während des ersten Weltkrieges die Möglichkeit, den Militärdienst aus Gewissensgründen zu verweigern. Im britischen SCI-Zweig "International Voluntary Service" (IVS), dessen Name zwischen 1935 und 1952 zusätzlich noch die Worte "for Peace" (IVSP) trug, spielte deshalb die Anerkennung des Zivildienstes als Alternative zum Militärdienst nur eine ganz untergeordnete Rolle.

Als der IVSP nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges jedoch von den Behörden gefragt wurde, ob er bereit sei, Alternativdienste für Militärdienstverweigerer durchzuführen, stimmte er dem trotz erheblicher finanzieller Bedenken sofort zu. Die britischen Militärdienstverweigerer wurden anfangs für Forstarbeiten eingesetzt. Ab Anfang 1944 war es möglich, 'Relief Teams' auch in andere, vom Krieg heimgesuchte Länder zu schicken. So starteten die ersten 'Units' nach Ägypten, Kreta und Griechenland, dann nach Italien und Anfang 1945 die Unit 4 in die Niederlande.

Am 7. Juli 1945 wurde die Unit 4 von Holland nach Salzgitter verlegt, als erstes von später drei in der Britischen Besatzungszone eingesetztes Relief Team. Die Aufgaben dieser Gruppen waren zuerst die Versorgung und Rückführung von 'Displaced persons', also der während des Krieges in Deutschland vor allem in der Landwirtschaft und der Rüstungsindustrie eingesetzten Zwangsarbeiter. Es folgten Aufgaben bei der Aufnahme deutscher Umsiedler aus den Gebieten östlich von Oder und Neiße, die Erstversorgung von aus der Kriegsgefangenschaft heimkehrenden deutschen Soldaten und schließlich eine gewisse Aufsicht über die Lager von deutschen Flüchtlingen in Schleswig-Holstein.

Einige der Team-Mitglieder hatten vor ihrer Arbeit in den Relief Teams bereits an normalen SCI-Diensten teilgenommen und so lag es in der Natur der Sache, dass diese sich nach Möglichkeiten umsahen, auch in Deutschland "workcamps" durchzuführen. Eine erste Gelegenheit bot sich Ende 1945, als die Unit 4 in Friedland bei Göttingen an der Errichtung eines Durchgangslagers beteiligt war, welches von den Militärbehörden in jenem Bereich errichtet wurde, wo sich die Russische, Amerikanische und Britische Besatzungszone berührten. Die Besatzungsbehörden wollten einen Überblick darüber bekommen, woher und wohin sich die Tausende von Deutschen bewegten, die damals mit Ihrem Hab und Gut alle Straßen und Wege bevölkerten: während des Krieges Evakuierte und Ausgebombte, die zu ihren alten Wohnorten zurück strebten, entlassene Soldaten, die nach ihren Angehörigen suchten, Flüchtlinge und dann die Welle der Aussiedler aus dem Osten.

Gemeinsam mit Studenten der Universität Göttingen fand in Friedland im Februar und März 1946 der erste SCI-Dienst in Deutschland statt. Dies geschah zu einer Zeit, in der für die Besatzungstruppen noch das Gebot "No Fraternisation" galt und eine für den Dienst erforderliche Ausnahmegenehmigung weder vorhanden noch beantragt war. Der auch von der Militärregierung gesehene Erfolg des Einsatzes in Friedland führte dazu, dass diese dem IVSP indirekt mitteilte, sie würde einen weiteren "Versuch" mit deutschen Teilnehmern tolerieren, wenn der IVSP die Verantwortung und Leitung übernähme. So gab es im Sommer 1946 vier weitere IVSP-Dienste in der britischen Zone, mit deren Ergebnis die Education Branch der Militärregierung ebenfalls sehr zufrieden war und IVSP konnte im Herbst eine Konferenz einberufen, zu der man im Sommer bereits von allen Lagergemeinschaften "Delegierte" hatte wählen lassen, und zwar in jeder Woche in jedem der Dienste eine/n. Mit starker Rückendeckung durch den IVSP wurde nun auf dieser Delegierten-Konferenz am 26./27. Oktober 1946 in Hannover der 'Internationale Freiwillige Dienst für den Frieden' (IFDF) als deutschen Zweig des SCI gegründet.

In den ersten Nachkriegsjahren herrschte in Deutschland noch Chaos. Es gab weder Räume, in denen ein SCI-Lager untergebracht werden konnte, noch die notwendigen Einrichtungsgegenstände, es gab weder Arbeitskleidung noch Werkzeuge, Reisen waren selbst innerhalb einzelner Besatzungszonen schwierig und natürlich gab es fast nichts zu essen. Es ist heute kaum mehr nachzuvollziehen, was alles organisiert werden musste, um überhaupt einen Dienst durchführen zu können. Der deutsche Zweig war dazu nach seiner Gründung nicht oder zumindest nur teilweise in der Lage. Es ist unseren britischen Freunden vom IVSP zu danken, dass sie in einem großartigen Einsatz neben ihrer normalen Arbeit all das regelten und beschafften, was Dienste überhaupt erst möglich machte. Dabei wurden sie nicht nur von den anderen SCI-Zweigen unterstützt, insbesondere dem Schweizer Zweig, der Ende 1945 einen eigenen Einsatz in Saarbrücken begann, sondern auch von befreundeten Organisationen, die finanzielle wie materielle Hilfe leisteten.

Der direkte Einsatz des IVSP in Deutschland endete erst im März bzw. Oktober 1949.




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